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P-27 «Jetzt funkt's aa»

27. April 1994Von: Martin HoratViews: 6196

Reime vom Rhein

«Jetzt funkt's aa» heißt das neue Album der Schweizerdeutschen Rap-Vorreiter P-27. Fun und Funk stehen bei den B(asler)-Boys im Vordergrund. Innovativ und abwechslungsreich: P-27 aus Basel geben dem Schweizerdeutschen Rap neue Impulse.

Mit der Nummer «Murder By Dialect» und ihrer Debüt-CD «Overdose Funk» etablierten sich P-27 1992 nicht nur als Trendsetzer für Mundart-Rap, sie öffneten auch zahlreichen anderen Bands Tür und Tor.

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«Jetzt funkt's aa» heißt das neue Album der Schweizerdeutschen Rap-Vorreiter P-27. Fun und Funk stehen bei den B(asler)-Boys im Vordergrund. Innovativ und abwechslungsreich: P-27 aus Basel geben dem Schweizerdeutschen Rap neue Impulse.

Mit der Nummer «Murder By Dialect» und ihrer Debüt-CD «Overdose Funk» etablierten sich P-27 1992 nicht nur als Trendsetzer für Mundart-Rap, sie öffneten auch zahlreichen anderen Bands Tür und Tor. Doch wie ihre neue Platte zeigt, sind die Basler längst nicht gewillt, sich auf ihren Lorbeeren auszuruhen: nahezu alle Hip-Hop Trends der letzten zwei Jahre wurden in ihr Nachfolge-Album integriert.

Beginnen wir beim Personellen: Nicht nur die Zahl der Fans, auch die der Bandmitglieder ist in der Zwischenzeit gestiegen. Neben den Rappern und Sängern Tron und Skelt!, DJ Radikkal und dem „Zusatz-DJ" Drozt finden sich jetzt erstmals auch vier Instrumentalisten im Line-Up: Gitarrist Feel-X, Bassist Pip, Schlagzeuger Matt und Keyboarder J. P, die dem neuen Album eine abwechslungsreiche stilistische Vielfalt injiziert haben.

Jazz-HipHop nach Art von US3 und Jazzmatazz hielt Einzug, wie der Song „Jazz Tongue" mit seinen zahlreichen Referenzen an diverse Genre-Größen belegt; beim swingenden „Eat My Fruits Of Funk" darf sogar ein jazziges Flötensolo nicht fehlen. Auch zeitgemäße Ragga- und Reggae-Elemente tauchen auf, etwa im Stück „Judging Blind". Für die Leute, deren Geschmack eher in Richtung Hardcore-Rap tendiert, haben P-27 ebenfalls Entsprechendes zu bieten. Am deutlichsten wird das im Stück „Run Baby Run", das bereits als erste Single ausgekoppelt wurde. Für diesen Song haben sich P-27 mit der Zürcher Avantgarde-Metal-Band Coroner zusammengetan: Ice-T und Body Count lassen grüßen.

Aber keine Angst, ihre Hauptinspiration ist bei all dem nicht verlorengegangen: Funk als Grundkonzept zieht sich nach wie vor wie ein roter Faden durch sämtliche Songs - vom Opener „Jetzt funkt's aa" bis zum letzten Stück „Put Your Funky Spacedüsn On". Und spätestens dann sollte jedem klar geworden sein, daß es P-27 mittlerweile gut verstehen, dem HipHop mit Song-Strukturen und gesungenen Refrains zu größerer Dynamik und Abwechslungsreichtum zu verhelfen.

Kurze Breaks, seien es Dialoge, Musik-Splitter oder Scratches, sind heute ein festes Element von Hip-Hop-Platten aller Couleur. Von De La Soul bis A Tribe Called Quest haben unzählige Rapper dieses Stilmittel gebraucht, um ihren Platten Struktur, Konzept oder einfach dynamische Auflockerung zu verpassen. Klar, daß da auch P-27 nicht fehlen. Im typischen Stil der Märchenplatten, mit denen ganze Generationen von Schweizer Jugendlichen aufwuchsen, erzählen sie in kurzen Einblendungen die wundersame Geschichte von drei Zwergen, die auszogen, um neue Instrumente - sprich Gitarre, Baß, Keyboards und Schlagzeug - zu suchen und mit ihnen die verschlungenen Pfade im weiten Wald der Musik zu erforschen.

Was sie sonst noch zu sagen haben, bewegt sich querbeet: Die Hip-Hop-üblichen Selbstbeweihräucherungen und Selbstdarstellungen, ihr Konzept von Fun und Funk, Polizeistreß, Liebeslust und Arbeitsfrust. Auch in punkto Drogen machen sie ihren Standpunkt deutlich. Das Thema taucht verschiedentlich auf, sei es im Nachruf auf einen Bekannten in „The Requiem", in „Smoke This 1" oder in „Judging Blind". In diesen Songs machen sie aus ihrer Abneigung gegen harte Drogen wie Kokain und Heroin ebenso keinen Hehl wie aus ihrer Vorliebe für einen „Feierabendjoint" mit Bier; wobei sie in „Smoke This 1" schon mal hochdeutsch rappen, damit auch die nördlichen Nachbarn verstehen, was gemeint ist. Spätestens seit Cypress Hill und Dr. Dre's „The Chronic" (eine besonders potente Grasmischung) hat ein Teil der Hip-Hop-Szene ihre neugefundene Liebe zu Cannabisprodukten in alle Welt getragen. Wer will es P-27 also verübeln, wenn sie sich dem Trend anschließen, weiche Drogen zu enttabuisieren?

Wer zu vielen Modeströmungen folgt, gerät natürlich schnell in Gefahr, sich zu verzetteln und als billiges Imitat dazustehen. Allerdings muß man das Szene-Umfeld betrachten, in dem sich P-27 bewegen: Anders als ihre welschen Kollegen, die eine äußerst lebendige und gleichsprachige Szene in Frankreich als Orientierungshilfe nutzen können, um etwas eigenes zu entwickeln, stehen P-27 auf nahezu verlorenem Posten. Im deutschen Sprachraum fristet Rap ein Schattendasein, die deutsche HipHop-Szene hat gleichzeitig, und keineswegs vor der Deutschschweizerischen eine gewisse Eigenständigkeit entwickelt - ziemlich spät. Konsequenz: P-27 rappen Dialekt und in Englisch, eine Mischung, die sprachliche Pionierarbeit erfordert, denn jedes Idiom hat rhythmische Eigenheiten, die es zu berücksichtigen gilt.

Doch getreu dem Motto „Jetzt funkt's (erscht) aa" darf man auf weitere Glanztaten hoffen: P-27 zählen nach wie vor zu den innovativsten, eigenständigsten und in punkto Produktionsstandard sicher wegweisendsten Bands der Deutschschweizer Rap-szene.

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