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Gleis X

04. März 1998Von: Stephan LIchtenhahnViews: 8499

Viel Theater um Hip Hop

Hip Hop ist die Kultur der Strasse. Das Musical «Gleis X» bringt sie auf die Bühne. Nicht mit Schauspielern, sondern mit rund 20 Leuten aus der Szene.

Der bekannte Rapper Skelt! der Basler Rap-Crew P-27, freut sich. Heute Abend ist das Hip-Hop-Musical «Gleis X», das er produziert und geschrieben hat, erstmals ausserhalb von Basel zu sehen. In Zürich. Skelt! stand als P-27-Rapper mit Sendak oder Primitive Lyrics auf der Bühne, mag die hiesige Szene. «Die wüten geil dort», sagt er.

Hip-Hopper haben eine starke Bühnenpräsenz

Wüten wird auch die Truppe von «Gleis X». Das Stück ist Hip Hop pur. Zwei Typen, Samir und Gaetano, werden über zehn Jahre begleitet. «Wir zeigen ihre Lebensgleise», sagt der bald 25-jährige Skelt!. «X» steht für zehn, «Gleis» für den Lebensweg, aber auch für die Gleisanlagen, wo sich viele mit Spraydosen ausgetobt haben. Graffiti kommen als Element im Stück vor, auch Rap- und Tanzeinlagen fehlen nicht. In die Geschichte eingebettet sind Themen, die alle kennen: Vorfreude aufs Wochenende, Beziehungsknatsch, Gewalt auf der Party, Stress mit der Polizei. Skelt! erzählt, dass nach den ersten Aufführungen viele Leute ihm sagten, sie hätten sich im Stück wieder erkannt. Sein Ziel war damit erreicht.

DENN DAS MUSICAL will aus der Sicht der Szene zeigen, was Hip Hop ist. Die rund 20 Darstellerinnen und Darsteller, alle aus der Szene, sorgen für Authentizität. Skelt!: «Wir wollten keine Schauspieler, die Hip Hop darstellen, sondern Hip-Hop-Leute, die ihre Geschichte erzählen und zeigen, was sie können.»

Die Idee zu «Gleis X» hatten die Leute von Bee4Real, einer eigentlichen IG Hip Hop in Basel. Sie wollten die Hip-Hop-Geschichte zu einem Theater machen. So richtig kam die Sache nicht voran, das Projekt stockte, bis sich Skelt! dem Stück annahm. Und bis Bee4Real das nötige Geld auftrieb. Man gelangte an die Kantonalbank, die 78 100 Franken locker machte: Papa Staat rundete den Betrag auf 100 000 Franken auf. Den letzten Schliff verpasste Skelt! zusammen mit der Dramaturgin Anne Schöfer und dem Regisseur Tom Ryser.

IM LETZTEN SOMMER liess Ryser die Hip-Hop-Horde zu Proben antraben. Sechs Wochen lang, fünf Abende pro Woche. Eine anstrengende und intensive Zeit. «Eine unglaubliche Energie war zu spüren», schwärmt Ryser noch heute, der selbst davon profitierte: «Als wir jeden Abend übten, ging ich nachher immer mit mehr Energie heim, als ich gekommen war.» Der Regisseur merkte: Auf einer Bühne zu stehen ist für Hip-Hopper normal. «Sie können sich präsentieren und haben eine starke Bühnenpräsenz», sagt Ryser. Doch nun standen sie plötzlich auf einer Theaterbühne. «Als Rapper bin ich mich selber oder mindestens so, wie ich mich gerne sehen würde», sagt Urs Baur, als Rapper Black Tiger schon lange auf Schweizer Bühnen daheim. «Aber als Schauspieler musst du eine andere Person spielen.» Und die hatte in den meisten Fällen wenig mit dem Darsteller zu tun. Die Hip-Hopper mussten plötzlich den Techno-Typ oder das Kollegenschwein geben. Skelt! spielt einen Polizisten, während Urs, ein ziemlich friedlicher Mensch, den Schlägertyp Bruno mimt. «Ich musste über meinen Schatten springen und den Bruno in mir suchen. Das kostete Überwindung», sagt Urs.

Mit der Zeit aber kamen sie kaum mehr von der Rolle weg. «Als wir jeden Abend spielten, reagierte ich tagsüber wie Bruno gereizt und aggressiv», sagt Urs. Auch das Publikum scheint ihm den Bruno abgenommen zu haben. «Ich wurde ein paar Mal ausgebuht und nach der Vorstellung gingen mir Leute aus dem Weg», amüsiert sich der Rapper. Also: Keine Angst vor Urs, aber aufgepasst auf Bruno.

«Gleis X», ab heute Mittwoch, 4. März, bis Samstag, 7. März, Theaterhaus Gessnerallee, Zürich.

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