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The Fantasticks

04. Februar 1999Von: Eva BachmannViews: 7383

Romeo und Julia in der Provinz

Das Musical «The Fantasticks» im Ensemble-Theater pflegt die Ästhetik des kleinen Budgets

Die beiden Texaner Harvey Schmidt und Tom Jones haben mit dem Musical «The Fantasticks» den grössten Erfolg einer Off-Produktion am Broadway eingespielt. Auf einfache Mittel setzt nun auch Robert Young in seiner Inszenierung für das Solothurner Ensemble-Theater. Not oder Tugend?

Musical - das ist vor allem einmal Show, die perfekte Illusion. Dazu gehören Gesang und Tanz, Glitterkostüme, Spezialeffekte und aufwendige Kulissen, aber auch sentimentale Geschichten von grossen Gefühlen, von Liebe und Enttäuschung und natürlich das romantische Happy-End. Bei «Fantasticks» ist alles anders, es ist die Show über die Show. Die räumliche Trennung der Bereiche hinter und vor der Kulisse ist aufgehoben, alles ist für die Zuschauer jederzeit einsehbar.

So tun als ob

Vorgeführte Show sind an diesem Abend sogar die Figuren: Da ist einmal Luisa, die gerne eine Prinzessin wäre oder sogar eine «Pretty Woman» - und doch nur naiv und zickig von der grossen Liebe ins grosse Unglück rennt. Ursula Rupp spielte den Teenager überdreht kreischend, sang dagegen mit der Stimme einer Opernsängerin. Ihr Partner Matt fühlt sich heldenhaft wie Leonardo DiCaprio - und ist doch nur der Junge von nebenan, sentimental und verzogen. William Lombardi brachte Singen und Spielen besser unter einen Hut, aber neben Ursula Rupp ging seine noch junge Stimme verloren. Zum ungleichen Paar gesellten sich Väter, die sich für Clever und Smart halten und Schicksalsgötter für das Liebespaar spielen - und doch im Grund nur Gärtner sind, die sich über das Heranwachsen der Radieschen mehr freuen als über jenes ihrer Kinder. Henrik Reimann und Skelt! sind Künstler der Überzeichnung doch gaben sie als Kabarettisten ihre eigene Vorstellung.
Schliesslich ist auch das Stück nur Show: Es prahlt mit Romeo und Julia, mit Othello, Hamlet und dem Raub der Sabinerinnen - und ist doch nicht viel mehr als eine provinzielle Klamotte: Das Liebespaar soll durch eine Mauer getrennt und dadurch erst recht zusammengebracht werden. Eine Entführung wird inszeniert, die Entdeckung des abgekarteten Spiels führt zum Streit, doch nach Irren und Wirren findet das Paar um so glücklicher in Liebe zusammen.

Theater mit einfachen Mitteln

Edmond Rostands Komödie «Les Romantiques» lieferte den Stoff zum Musical «The Fantasticks», das Harvey Schmidt (Musik) und Tom Jones (Text) für eine texanische Sommerbühne konzipierten und «dessen Uraufführung in der Provinz freundliche Kritiken erntete», wie das Programmheft zu berichten weiss. Die Show wurde ohne grossen bühnentechnischen Aufwand realisiert, schaffte es 1960 als Low-cost-Produktion an eine Off-Bühne am Broadway. Und wurde zum Stück mit der längsten Laufzeit.
Der Ästhetik des kleinen Budgets ist auch die Inszenierung von Robert Young verpflichtet: Alles darf improvisiert wirken. Das vierköpfige Orchester (Leitung: Franco Trinca) sitzt im hinteren Teil der Bühne unter einer Rampe. Als Bühnenbild (Gestaltung: Peter Theiler) genügen Lampen und Gerüste, die von den Schauspielern bewegt werden. Gazevorhänge trennen Räume ab und lassen doch den Durchblick. Ihre Kostüme (Gestaltung: Eva-Maria Pfeifer) bringen die Schauspieler in Koffern mit und wechseln sie auf offener Szene. Ein Mond aus Pappe, Fähnchen, Plastikschwerter, Hüte und ähnliche Accessoires eine Kostümparty werden durch eine Klappe am Bühnenrand heraufgereicht. Robert Young versucht so, aus der Not eine Tugend zu machen, doch vermag diese vorgeführte Billigkeit nicht recht in die beabsichtigte reizvolle Einfachheit zu kippen.
Raffiniert ist hingegen der Einsatz von F. Dion Davis als Stummer. Der Choreograph begeleitet als Spielleiter den ganzen Abend auf der Bühne. Er bringt die Figuren auf Position, zeigt Bewegungen vor, er zieht die Fäden bei Umbauten, bringt Requisiten ins Spiel und zaubert bei Bedarf einen Gangster (Roman Keller-Lasalle) und zwei wandernde Schauspieler (Peter Glauser und Andreas Büchler) aus seiner Mottenkiste. Trotz aller natürlichen Sympathie von Davis gelingt es diesem nicht, die kleine, in ihren Charakteren aber sehr inhomogene Truppe auf einen Nenner zu bringen. Das Spiel bleibt aufgesetzt, der gemeinsame Schwung fehlt. Und so bleibt das Ensemble-Theater den Beweis schuldig, dass man auch mit kleinem Aufwand eine gute Geschichte erzählen kann.

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