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Outlander

09. Juni 2000Von: Noëmi GradwohlViews: 6286

Outlander / Auawirleben

Konflikte der «Familie Mensch»

Die Basler Gruppe Gendertainment gastiert mit «Outlander» an aua-Festival. Tom Ryser und Skelt! machten aus Kleists «Die Familie Schroffenstein» einen multiethnischen Theatertanzakrobatikrap.

 

BZ: Tom Ryser und Skelt!, die Unterzeile zu Ihrer Produktion lautet: «Fremdgehen mit Kleist». Wie gehen Sie fremd?

Tom Ryser: Im Sinne des Wortes gehen wir fremd. Für mich schrieb Kleist die deutschesten Texte, die es gibt. So auch «Schroffenstein». Wir benutzen zusätzlich Fremdsprachen und setzen sie als Komplementärfarbe ein - unsere Darstellerinnen und Darsteller stammen aus Familien, die in die Schweiz eingewandert sind. Sie sind in zweiter Generation in der Schweiz.

Skelt!: Wir gehen mit der Form, wie wir das Stück auf die Bühne bringen, fremd. Wir haben viel mit Akrobatik, Tanz, Musik und einem starken Rhythmus gearbeitet.

Ryser: Auch inhaltlich: Wir haben nur zirka die Hälfte des Kleist-Textes genommen.

Auf welche Stückteile haben Sie verzichtet?

Ryser: Es gibt Passagen, wo Kleist einen Antrieb, eine Motivation beschreibt, warum eine Figur so und nicht anders handelt. Die haben wir rausgestrichen, weil wir glauben, dass der Mensch letztlich für Neid oder Eifersucht keine Motivationen braucht. Meist sind es Missverständnisse oder der Wunsch, es besonders gut zu machen, die zu Konflikten führen. Eine solche Figur, die nur Gutes will, gibt es im Stück, und sie schleift eine Blutspur hinter sich her. Das haben wir in unserer Version noch verstärkt.

Wollen Sie also mehr die Wirkung der Taten zeigen als deren Unterbau?

Ryser: Nein, wir wollen schon zeigen, wo alles herkommt, aber auch, dass eine solche Motivation kaum zählt. Wenn man zum Beispiel Kriege betrachtet, so ist doch die Motivation, mit welcher ein Land über ein anderes herfällt, meist dünn.

Sind also die beiden Familien in «Schroffenstein» ein Gleichnis für das, was in der Welt passiert?

Skelt!: Die Grundmuster haben sich nicht verändert seit es den Menschen gibt. Zum Beispiel beim Krach zwischen einem Ehepaar, einer Familie oder Freunden. Man kann die Muster adaptieren und sagen, anstatt zu einer Familie zu gehören wir alle zur «Familie Mensch» - nur sprechen wir verschiedene Sprachen, kommen aus verschiedenen Ländern.

Kleist selbst bezeichnete sein Stück «Die Familie Schroffenstein» als «elende Scharteke», als Schmöker. Auch wird es kaum je an Theatern gespielt.

Ryser: Es ist ein schiefes Teil, völlig verschroben und schwierig zu nehmen, weil es jede kleine Kurve Missverständnisses «en détail» verfolgt. Genau das gefällt mir an diesem Stück.

Sie sind also anderer Meinung als Kleist?

Ryser: Ich wollte dieses Stück schon seit zehn Jahren machen. Kleist erklärt, wie Menschen miteinander funktionieren und ganz logisch aneinander vorbeireden. Und genau das ist das Loch in unserer Welt: Die Menschen funktionieren nie logisch.

Warum haben Sie eine unkonventionelle Spielart gewählt?

Skelt!: Der Umgang mit dem Text bietet enorme Möglichkeiten: Kleist benutzt zu 97 Prozent eine Versform, einen starken Rhythmus. Konventioneller Rap lässt sich daraus nicht machen, eher Sprechgesang. Auf dieser Grundlage bauten wir auf.

Ryser: Für mich gibt es nur ein Genre im Theater und das beinhaltet alle Möglichkeiten von Sprechtheater, Tanz, Artistik, Pantomime, Werbefilme, Variété und so weiter. All das gehört zu meinen Mitteln. Ohne die kann und will ich kein Theater machen.

GENDERTAINMENT

Tom Ryser und Skelt!

Tom Ryser ist 1966 in Basel geboren. Er liess sich an der Berner Hochschule für Musik und Theater zum Schauspieler ausbilden. Ryser arbeitet als Schauspieler und Regisseur, unter anderem für Ursus & Nadeschkin oder beim Modernen Zirkus Cîrqu'enflex. Der 1973 in Basel geborene Skelt! arbeitet als Rapper, Schauspieler und Tänzer. Er ist der Frontmann der Basler Band P-27. Skelt! und Ryser gründeten mit Eva Watson die Produktionsgemeinschaft Gendertainment. «Outlander» ist deren dritte Produktion. gra

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