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Der Strand

17. März 1998Von: Peter de MarchiViews: 6968

«Herr der Fliegen» in der Pop-Version

Zum ersten Mal spielt das Theater Basel eine ihrer Produktionen auf Baselbieter Boden. Im Haus des Kunstvereins Baselland wird die Bühnenfassung von Alex Garlands Roman «Der Strand» gezeigt.

Muttenz. Die Szenerie wirkt irreal: Zehn Tonnen Sand, rosa gefärbt, bilden die Bühne, die Distanz zum Publikum ist quasi aufgehoben, ein Meter Distanz nur zwischen dem Schauplatz des Geschehens und der improvisierten Tribüne für 120 Zuschauerinnen und Zuschauer; und auch der Ort ist ungewöhnlich: Nicht die Komödie oder die Kleine Bühne bildet die Spielstätte, sondern in der Shedhalle in den «Verliesen» des neuen Baselbieter Kunsthauses in Muttenz, nur ein Steinwurf über die Birs vom St.-Jakobs-Stadion entfernt, wird die Bühnenfassung von Alex Garlands Roman «Der Strand» uraufgeführt.

Das erste Mal übrigens, dass das Theater Basel eine Produktion von der ersten Probe bis zur letzten Vorstellung auf Baselbieter Boden durchführt. Die Premiere ist am kommenden Donnerstag, 19. März, um 20 Uhr.

«Abenteuer Aussenspielort»

Mit dem Begriff «Abenteuer Aussenspielort» umreisst die Dramaturgin Anne Schöfer diesen Theater-Versuch. Abenteuerlich sei es ja bereits, den Eingang zur Shedhalle zu finden, denn nicht der Haupteingang des früheren Top-Tip-Gebäudes führt zur Bühne, sondern der Lieferanteneingang im hintersten und tiefsten Teil der Liegenschaft. Mit dem Entscheid für den Stoff des Buches aber sei gleichzeitig der Entscheid gefallen, nicht in den etablierten Räumen des Theaters spielen zu wollen, denn der Stoff dieses Romans eigne sich nicht für die traditionelle Guckkastenbühne.

Gesucht haben Regisseur Hermann Schmidt-Rahmer und Chef-Dramaturg John von Düffel einen Stoff, der sich mit der Gesellschaftsfindung von Jugendlichen auseinandersetzt. Ursprünglich wollten die beiden William Goldings berühmten Roman «Herr der Fliegen» als Bühnenfassung bearbeiten. Das aber ist daran gescheitert, dass nur eine bereits existierende Bühnenfassung gespielt werden darf. Schmidt-Rahmer ist dann auf Garlands Roman «Der Strand» gestossen, der thematisch von der gleichen Grundsituation ausgeht: Eine Gruppe von Jugendlichen lebt isoliert auf einer Insel und baut sich eine Gesellschaftsstruktur auf. «Der Strand», erklärt der Regisseur, sei die Pop-Version der 90er Jahre des «Herrn der Fliegen». Die beiden Romane unterscheiden sich allerdings in einem entscheidenden Punkt. Alex Garlands Jugendliche verschlägt es nicht aus einer Notsituation (bei Golding ist Krieg) auf eine Insel. Sie haben die Insel gesucht, sie wollten das Paradies finden - und sie haben ihren Garten Eden auf einer einsamen Insel in Thailand gefunden.

Die Suche nach einer Nische

Diese Jugendlichen aus Garlands Roman, erklärt John von Düffel, haben nicht den Wunsch, die Welt zu verändern. Sie suchen sich eine geheime, letztlich ideologiefreie Nische, in der sie ihr Leben leben können. Sie finden diese Nische, und der Mikrokosmos funktioniert so lange, bis die jungen Leute medizinische Hilfe von aussen brauchen. Jetzt stehen sie vor der moralischen Frage, ob sie ein Menschenleben opfern wollen, um ihr Paradies zu retten, oder ihr Paradies opfern, um den Menschen zu retten? Das Experiment endet so blutig wie Quentin Tarantinos Kult-Film «Pulp Fiction.»

Profis und Laien

Das Stück handelt von Jugendlichen und wird von Jugendlichen gespielt. Von den 15 Schauspielerinnen und Schauspielern gehören sechs dem Ensemble des Basler Theaters an, neun sind Laien. In einem Casting sind die nichtprofessionellen Schauspielerinnen und Schauspieler aus dem Kreis des Jugendspielclubs des Theaters, dem «jungen theater basel» und den Mitwirkenden des Hip-Hop-Theaterprojektes «Gleis X» ausgesucht worden. 40 junge Leute haben sich für das Casting gemeldet, neun spielen jetzt mit. Und, sagt der Regisseur anerkennend, das Zusammenspiel zwischen Profis und Laien klappe ausgezeichnet. Die grösste Schwierigkeit sei es wohl gewesen, im winterlich-nasskalten Muttenz die paradiesischen Zustände eines kleinen tropischen Eilandes heraufzubeschwören.

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